Guido Plüschke ist Spieler der irischen Rahmentrommel. Seine Bodhrán-Kurse kann er während der Coronakrise nicht mehr anbieten und steigt daher auf Online-Angebote um. Guido beobachtet mehr Zusammenhalt unter den Menschen aber ist von der deutschen Unterstützung für Künstler sehr enttäuscht.
Dies ist der dritte Beitrag in der Artikelserie über das Leben der Folkmusiker während der Coronakrise.
Wie erlebst Du die aktuelle Situation in Deutschland?
Die Leute gehen mit dem gewissen Sicherheitsabstand mehr aufeinander zu. Sie nehmen mehr Rücksicht, meckern nicht so viel und helfen sich gegenseitig. Es entsteht ein viel größerer Zusammenhalt. Arschlöcher bleiben immer Arschlöcher.
Wie hat es für Dich begonnen und was waren Deine Gedanken?
Die ersten Konzerte wurden Mitte März abgesagt und ich dachte: „jetzt geht es los!“. Und kurz danach: “ich muss jetzt schnell was tun, sonst wird das hier sehr unangenehm“.
Was hat sich für Guido Plüschke verändert?
Ich kann meine Auftritte und Konzerte nicht mehr machen. Damit kann ich alles das, was ich über 3 Jahrzehnte aufgebaut habe, nicht mehr ausüben. Wir rücken mit der Familie mehr zusammen und ich habe mehr Zeit für unsere Tochter. Warum auch immer, ich habe mehr Energie als vorher und die versuche ich positiv umzusetzen und neue Online-/Digital-Projekte an den Start zu bringen. Und selbst zur Session kann ich nicht gehen, um zwanglos ein paar Sets mit Freunden und Gleichgesinnten zu spielen.
Wie durchstehst Du die Krise?
Ich gucke nach vorne und versuche mich neu zu positionieren. Meine Familie, meine Freunde und die mir wohl gesonnen Menschen geben mir viel Kraft.
Was beobachtest Du im Alltag?
Man hilft sich mehr. Viele sitzen im selben Boot. Leute die vorher Konkurrenten waren, sprechen auf einmal miteinander. Vorher unvorstellbar. Und auf einmal gehen Sachen, die angeblich unmöglich waren!
Wo holst Du Dir Hilfe?
Familie, Freunde, Netzgemeinde, Hilfsfonds die nicht vom Staat sind und verstanden haben, was es heißt Künstler, speziell Musiker zu sein.
Was ängstigt Dich?
Dass wir/meine Familie immer mehr in den Dispo-Schlund rutschen und dann doch nicht die helfende Hand da ist. Rücklagen haben wir keine und nach 2 – 3 Monaten wird es brenzlich. Und natürlich die Ungewissheit, ob die neuen Online-Projekte überhaupt die erhofften und benötigten Ersatz-Einnahmen bringen werden.
Dass meine Eltern erkranken. Beide sind über 80. Dass es danach wieder so weiter geht wie vorher. Kunst ist offiziell ganz wichtig und großartig, aber sie wurde in den seltensten Fällen richtig gut bezahlt. Und nach der Krise haben die Leute dann wirklich wenig Geld und der Verdienst ist noch geringer als zuvor.
Was macht Dir Mut?
Dass mir viele Leute Hilfe anbieten und auch wirklich helfen. Mit Rat, Tat, und Geduld. Diese tolle, positive Energie ist die Power für meine persönlichen Batterien.
Wem möchtest Du Danke sagen?
Allen, die mir geholfen haben und schon vorher an Guido Plüschke und meine Projekte geglaubt haben. Aber auch den Leuten, die jetzt an der „Front“ stehen und für sehr wenig Geld den Wagen aus dem Dreck holen. Krankenhauspersonal, Polizei, Feuerwehr, Lebensmittel-Einzelhandel, Müllabfuhr, Krankenpflegepersonal, usw. Die machen was, viele mit viel Geld schieben ihr Vermögen hin und her und versuchen dieses zu retten. Am Ende müssen wir alle ins Gras beißen. Das letzte Hemd hat keine Taschen und der Fährmann spielt weder Dur noch Moll…
Wie ist Dein Blick in die Zukunft?
Wir werden alle umdenken und uns möglichst noch breiter aufstellen müssen. Nur live Konzerte und reale Workshops sind ein dünnes Eis, auf dem wir uns bewegen. Die online/digital Produkte müssen mehr ausgebaut werden. Ich versuche mehr zu Hause zu bleiben. Ich hatte sowieso schon die Workshops reduziert.
Was ärgert Dich?
Dass die meisten Hilfspakete nicht für den kleinen Künstler gemacht sind. Die Grundvoraussetzungen sind für Unternehmer geschaffen und nicht für die Kunst. Viele, die sich jetzt Hilfe holen, werden die Hilfe zurückzahlen müssen, weil bei einer Prüfung die Voraussetzungen für den Staat nicht stimmen. Am Ende ist es so wie es vorher war, die Kunst fliegt unter dem Radar, lebt von der Hand in den Mund und ist erfinderisch.
Und dass die Politik nicht mit aller Härte gegen den Mietwucher angeht. Vielen Leuten wird in dieser Krise regelrecht das Dach vom Kopf durch die Mieten gefressen. Viele Mieten sind so hoch, dass man diese nur noch mit zwei Gehältern zahlen kann. Einer arbeitet und einer bleibt zu Hause und passt auf die Kinder auf, geht nur noch in den seltensten Fällen. Wo soll das noch hingehen…
Guido Plüschke sagt auch auf Youtube seine Meinung:
Weitere Berichte, wie Künstler aus der Folkszene mit dem Coronavirus umgehen, findest Du über den Leitartikel „Folkmusiker erzählen: Die Coronakrise trifft uns hart“.
[…] Coronavirus: Guido Plüschke ist von deutscher Regierung enttäuscht […]