Kaum jemand spielt die Hang so vielseitig wie Nadishana. Wie durch ein Wunder durfte er und Peter Somos im Sommer 2020 trotz Corona am HUG-Festival in Ungarn auftreten. Für Nadishana ist dies ein Geschenk, weshalb er den Mitschnitt auf seinem neuen Album “Live @ HUGʼ20 Festival” mit der Welt teilen möchte. Folk.World hat sich für eine Folk Review das Album angehört.
Eine unendliche Weite. Das Gras der Steppe bewegt sich im Wind. In der Ferne hohe Berge mit schneebedeckten Gipfeln. Dazu spielt ein Blechklanginstrument. Es klingt perkussiv und melodiös, bekannt und exotisch, ein bisschen geisterhaft, aber auch sehr lebendig. Du läufst auf die fernen Berge zu. Ein sibirischer Steppenfuchs kreuzt Deinen Weg. Er bleibt stehen und schaut Dich an. Er weiß alles über das Leben, den Tod und das Universum.
Von Sibirien nach Berlin (und weiter nach Transdanubien)
Nadishana glaubt, dass Musik eine Kombination aus mystischer Schönheit, Meisterschaft, Innovation, gutem Geschmack, Wissen und einer Botschaft von großer Tiefe sein sollte. Der Musiker ist bescheiden genug, um anzufügen, dass seine Kompositionen dieser Vorstellung wohl niemals gerecht werden. Das Ziel im Auge zu behalten, scheint ihm aber notwendig zu sein.
Nadishana wurde in einer Kleinstadt im südlichen Sibirien geboren. Während des Studiums in Sankt Petersburg brachte er sich selbst das Gitarre spielen bei. Inzwischen beherrscht der Musiker eine beeindruckende Zahl an Instrumenten: von der Bawu über die Kalyuka bis zur Zhaleyka. In den letzten Jahren hat er sich auf das Spielen der Handpan konzentriert. Seit 2005 lebt der Multiinstrumentalist in Berlin. Er hat 12 Alben aufgenommen und arbeitet mit zahlreichen Musikern aus aller Welt zusammen. Einer dieser Musiker ist Peter Somos. Der Ungar beherrscht ebenfalls mehrere Instrumente: hauptsächlich Schlagzeug, aber auch Keyboards, Bass und alle möglichen Arten von Perkussion. Auf dem Album „Live @ HUGʼ20 Festival“ spielt er verschiedene Schlaginstrumente, während er mit der linken Hand auf dem Keyboard Basstöne anschlägt.
Die 20 in „Live @ HUGʼ20 Festival“ steht tatsächlich für das Jahr 2020! Und so gelangen wir mit Nadishana und Peter Somos im August dieses Jahres nach Csesznek im transdanubischen Ungarn.
HUG steht für “Hungarian Handpan & Worldmusic Gathering”
Das kleine Festival findet für drei Tage im Sommer am Fuß der Burg Csesznek statt. Im Mittelpunkt steht Musik, die mit der Handpan gemacht wird, doch das Festival bleibt offen für alle Arten von Folk oder Weltmusik. Während am Abend die Konzerte stattfinden, kann man am Tag Workshops zum Erlernen verschiedener Instrumente besuchen. Unter diesen Instrumenten ist natürlich auch die Handpan.
Es scheint beinah merkwürdig, dass das HUG nicht dem Virus zum Opfer fiel. Die Ursache liegt darin, dass Ungarn bis Ende August kaum von Corona betroffen war. Für Nadishana war es das einzige Konzert in diesem Jahr. Er hat Folk.World im Interview erklärt, dass der Mitschnitt für ihn eine wertvolle Erinnerung ist und ein Zeichen in einer trostlosen Situation. Aus diesem Grund fiel die Entscheidung für eine Veröffentlichung der Aufnahme als „Live @ HUGʼ20 Festival“.
Eine Handpan – was ist das?
Eine Handpan ist ein Blechklanginstrument, das mit den Händen gespielt wird. Das Instrument besteht aus zwei Halbkugeln. Auf der Oberseite befinden sich die Klangfelder, auf der Unterseite eine Öffnung. Die Klangfelder sind nach innen gewölbt und erzeugen verschiedene Töne. Nur das Feld am oberen Punkt der Kuppel wölbt sich nach außen. Dieses Feld erzeugt den tiefsten Ton.
Nadishana benutzt auf „Live @ HUGʼ20 Festival“ drei doppelseitige Handpans. Neben der Folk Review haben wir ein Folk.World Interview auf unserer Seite, in dem der Musiker über seine Instrumente berichtet. Er hat uns zudem erzählt, welche Musik ihn inspiriert, was er über die Pandemie denkt und wie es zu dem Album „Live @ HUGʼ20 Festival“ mit Peter Somos kam.
„Live @ HUGʼ20 Festival“ – hören und sehen
Die rein instrumentale Musik auf „Live @ HUGʼ20 Festival“ klingt entspannt. Ich würde das Weltmusik nennen. Es macht viel Freude, den Musikern beim Spielen zuzusehen. Sie spielen genau, virtuos und mit großem Ernst. An manchen Stellen scheinen sie so sehr in ihre Musik versunken zu sein, dass sie das Festival vergessen haben. Neben Folk und Trance höre ich im Besonderen Fusion. Beim ersten Stück auf „Live @ HUGʼ20 Festival“ musste ich an Chick Coreas „Return To Forever“ denken. Im Anschluss klingt alles etwas kantiger. Später passiert es, dass die Musik in den Hintergrund rutscht und Ambient eine passende Beschreibung wäre. Letztlich schaut Dir der sibirische Steppenfuchs aber immer tief in die Augen.
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