Merit Zloch ist Kunsthistorikerin und Archäologin aus Berlin. In ihren Gastbeitrag schildert sie die aufregende Safari auf der Suche nach deutscher Trad- und Tanzmusik.
Wie kam das eigentlich mit den regionalen Tanzmusikquellen? Als ich diesen „Augenzeugenbericht“ begann, konnte ich mich nicht mehr erinnern, wann die „Tanzsammlung Dahlhoff“ digitalisiert worden war. War es 2011 oder 2012, als Kollegen und Freunde gemeinsam Geld in einen großen Topf warfen, um die Hefte digitalisieren zu lassen?
Die Dahlhoff-Sammlung
Ich musste es nachschauen. Es war 2012. Das ist jetzt 8 Jahre her. Es fühlt sich allerdings länger an, denn seither hat sich in Sachen „Tanzmusik aus deutschen Quellen“ einiges getan. Die Digitalisierung der 10 Oktavhefte weckte unserer Neugier auf mehr und brachte einen Stein ins Rollen. Musik aus Tanzmusikhandschriften des deutschsprachigen Raums wird mittlerweile nicht nur auf Sessions gespielt, sondern findet sich auf CDs und interessiert nahe und ferne europäische Nachbarn.
Aber zurück zur wohl bekanntesten wiederentdeckten Archivalie – eben jener „Tanzsammlung Dahlhoff“ aus der Zeit zwischen 1767 – 1799, aufgeschrieben von einem Küster in einem Dorf nahe Bielefeld. Die Geschichte, die der Digitalisierung vorausging, ist ein kleines Indiana-Jones-Abenteuer – allerdings nicht in fernen, wilden Ländern, sondern in internet und Bibliothek.
Die Digitalisierung der Fundstücke
Auf der Suche nach spannenden Melodien für seine Band Malbrook stieß Wolfgang Meyering[fn]Musiker und Rundfunkmoderator aus Emden[/fn] in der digitalen Sammlung Svenskt visarkiv zu seiner großen Freude auf handschriftliche Tanzmusik mit deutschsprachigen Namen. Es handelte sich um Abschriften, gemacht von einem gewissen Nils Dencker. Dieser – ein schwedischer Ethnologe – war in den 1930 Jahren offenbar gezielt auf der Suche nach Polonesenmelodien, unter anderem in Berlin. Er schrieb Polonesen aus der „Tanzsammlung Dahlhoff“ ab und brachte sie mit nach Schweden.
Wolfgang Meyering erzählte Simon Wascher[fn]Drehleierspieler, Tanz- und Musikforscher aus Wien. http://simonwascher.info/[/fn], der zu dieser Zeit ebenfalls zum Thema Polonesen forschte, von seinem Fund. Dieser reiste nach Berlin und fand das Original in der Staatsbibliothek Unter den Linden. In Sachen Umfang der Quelle gingen seine Erwartungen in Richtung des Üblichen: alles zwischen ein paar losen Blättern und einem Oktavheft. Er bekam jedoch zu seiner großen Überraschung gleich 10 gebundene Hefte vorgelegt. Schnell war klar, dass es sehr sinnvoll wäre, wenn man die Hefte digitalisieren lassen würde. So legten wir mit insgesamt 13 Personen zusammen und ermöglichten das Digitalisat.
Von Gefährten und gefährlichen Quellen
Das Interesse an Musik aus deutschen Quellen war lange vorher bei meinen Freunden und Kollegen entbrannt, und wir haben uns gegenseitig inspiriert. Dr. Ralf Gehler[fn]Musikethnologe und Musiker aus Schwerin, http://tradmusikzentrum.de/[/fn] war und ist seit Jahrzehnten an Tanzmusikhandschriften und Co. interessiert und fördert immer wieder Erstaunliches zutage. Vivien Zeller[fn]Musikerin aus Berlin und Mitherausgeberin von „Neues aus alten Büchern“, http://www.vivienzeller.de/[/fn] interessiert sich für deutschen Trad, seit sie Musik macht. Matthias Branschke[fn]Musiker und Instrumentenbauer aus Wittenberg, www.dudelsackmanufaktur.de[/fn] entdeckte als Teenager eine höchst gefährliche Quelle in seiner Heimatstadt – das Giftbuch eines Apothekers, das auch als Notenheft genutzt worden war. Ich als Kunsthistorikerin und Archäologin mit einer besonderen Schwäche für Quellen bin seit Anfang der 90er Jahre fasziniert von regional überlieferter Musik.
Und natürlich waren wir nicht die ersten, die sich für das Thema interessierten, diese Musik suchten, fanden, spielten, aufnahmen und verbreiteten! Um nur je zwei Bands aus Ost und West mit Gründungsdaten in den 70er Jahren zu nennen: Folkländer, Horch, die mich sehr inspiriert haben, Elster Silberflug, Zupfgeigenhansel.
Die stolzen Ergebnisse der Forschung
Seit 2013 geben wir – vor allem Vivien Zeller und Thomas Behr aus Berlin – eine Reihe namens „Neues aus alten Büchern“ heraus, um die unserer Meinung nach größten Hits aus den Quellen mit interessierten Musikern zu teilen. Melodien aus diesen Heften findet sich mittlerweile nicht nur in unseren Konzert – und Tanzprogrammen und auf unseren CDs[fn]”Up blasen de lulleken pipe” (2000) und “Up frien foten” (1992-2002) von Ralf Gehler – “Malbook” (2004) und “Quade Wulf” (2008) von Malbrook – “hardigatti!” (2004) und “spring” (2006) von bilwesz – “urban legends” (2007) von Merit Zloch – “Liebeslieder im Rahmen der Möglichkeiten” (2018) von TradTöchter – “Abfahrt in 5 Minuten” (2019) von Harfenduo Zirla[/fn].
Unter anderem haben Faun, Deitsch, Zirp und diverse Projekte um Michael Möllers[fn]Michael Möllers beschäftigt sich intensiv mit der Forschung zur Küsterfamilie Dahlhoff und deren Tanzsammlung. http://dahlhoff-die-band.de/index.php/de/dahlhoff[/fn] haben wunderbare Interpretationen von Stücken aus verschiedenen Notenbüchern aufgenommen.
Ich möchte hier in loser Folge eine kleine, ganz persönliche Auswahl an Quellen vorstellen. Wer schon hören möchte, was es alles gibt – und das
ist viel! – dem empfehle ich zunächst einen audiovisuellen Blick auf den youtube – Kanal „Tradtanzmusik“. Weiterhin möchte ich hier die Seite tanzmusikarchiv.de empfehlen – und wenn Ihr „Neues aus alten Büchern“ – Hefte erwerben möchtet, könnt Ihr das im deutschtradshop.de tun.
Weitere Beiträge:
I have been trying for some time to get in touch with Thomas Behr. I have read his work on the comparison of six versions of the Menuet Laschene. I am mainly interested due to the fact that I am currently working on the Wandembrile manuscript from Namur, my home town in which there is Le menuet de la chaîne.
I would have a couple of questions to ask him and possibly complete his work with another version I recently discovered.
I would be grateful if you could pass this text on to him.
Best regards,
Jean Pierre